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Medizin u. Pflege

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Eine wunderbare Geschichte medizinischer ... ja was eigentlich?

Anno 2003: Meine Mutter befindet sich in einer Anschlußheilbehandlung. Dies umzusetzen war nur in Zusammenarbeit mit der Krankenkasse möglich, der ich hier ausdrücklich für die sehr gute Zusammenarbeit danken möchte. Normalerweise ist eine Anschlußheilbehandlung in Deutschland nur einmal innerhalb 4 Jahren vorgesehen. Da meine Mutter aber zwei schwere Eingriffe Ende 2002 hatte - mit schlecht verlaufener Anschlußheilbehandlung über 5 Wochen - und dann Mitte 2003 nochmal operiert werden mußte, worauf deutliche Verbesserungen eintraten, genehmigte die Kasse nach Überprüfung des Falles eine weitere Anschlußheilbehandlung in der Folge der zweiten OP. Zur Vorgeschichte der folgenden Erzählung muss man jetzt aber folgendes auch noch Wissen:

Im November 2003 ergab sich leider kurz vor der bereits geplanten Reha eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die eine kurzfristige Notaufnahme erforderlich machte. Diese erfolgte - wegen der dort vorhandenen Krankenakte und der vermuteten Kompetenz auf dieser Grundlage - in einem nicht näher bezeichneten Universitätsklinikum im nördlichen Berlin. Neben der üblichen stundenlangen Warterei wurde dann im Rahmen der Diagnostik folgendes vermutet:

a) Es könnte auf Grund der vermehrten Eingriffe der letzten 15 Monate zu einer Epilepsie-Veranlagung gekommen sein, die man präventiv und zur Vermeidung weiteren Unbills medikamtös behandeln sollte. Das klingt vernünftig und sollte in der Neurologie so in Angriff genommen werden.

b) Es könnte eine Herzerkrankung vorliegen. Grundlage dieser Annahme stellte ein (1) etwas entgleister Enzymwert dar, der sich bereits am gleichen Tage (und am Folgetag) wieder weitgehend einpegelte. Nun gut, kann man sicherheitshalber diagnostisch weiterverfolgen.

Die Patientin wurde dann (fehlende Bettenkapazität an der gewünschten Stelle) intermediär zwischengelagert und anschliessend in die Kardiologie verlegt (eigentlich ein Neurologischer Fall...). Dort wurde geguckt und Ultraschall gemacht, man wollte eine Linksherzkatheteruntersuchung vornehmen - ziemlich belastend - reduzierte dies aber mangels Zustimmung auf einen Speiseröhren-Ultraschall des Herzens bei dem sich keine weiteren Verdachtsmomente zeigten. Der Enzymwert war in kurzer Zeit wieder weitgehend normal und könnte ja auch am vorhergehenden Vorfall gelegen haben....

Leider verhinderte die notwendige Krankenhausaufnahme auch die geplante Durchführung der längst verordneten Entnahme einer seit mehreren Monaten nicht mehr notwendigen PEG-Sonde (Magensonde zur ergänzenden Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr). Hierbei handelt es sich um einen leichten gastroenterologischen Eingriff der ausserhalb von Krankenhäusern sogar ambulant in qualifizierten Praxen durchgeführt wird. Besagtes Klinikum war während eines 14-tägigen Aufenthaltes der Patientin nicht in der Lage einen Termin dafür umzusetzen (wenn man denn schon sowieso da ist....) und dies trotz täglicher Intervention, trotz Zustimmung und zusätzlicher Intervention der Krankenkasse. Ein Wunderwerk an Organisationsfähigkeit im Interesse des Menschen. Dafür mußte aber jeder Mediziner (wenn es denn schon welche waren...) das Rad neu erfinden bis hin zur Aussage: "Wir müssen ja erstmal gucken ob Sie selber Essen und Trinken kann" und das nachdem das ja nur monatelang funktioniert hat, die Bestätigung durch den Hausarzt vorlag, die Bestätigung durch Angehörige und Betreuer....

Nun ja, ... in einigen Bereichen scheint die neue Krankenhausplanung schon durchaus berechtigt.

So, und nun geht es also endlich in die Anschlußheilbehandlung - und damit zur weiteren Neuerfindung des Rades. Ab erstem Tag des Aufenthaltes lief die Diskussion um die Entnahme der PEG-Sonde (man darf ja ganz nebenbei den Menschen nicht vergessen, der diesen Fremdkörper ja durchaus wahrnimmt und zweifellos als Beeinträchtigung und eventuell sogar würdelos bei Verwendung empfindet). Nach nur vier Wochen kam es dann endlich zu einer Terminplanung und folgendem spannenden ärztlichen Gespräch (A:Arzt, B:Betreuer/Sohn):

 

A: Wir würden am 19. den Termin zur Sondenentfernung planen, möchten Ihnen davon aber abraten.
B: ???
A: Unsere Internistin ist nämlich der Meinung, das Ihre Mutter etwas am Herzen hat und damit wäre der Eingriff zu gefährlich.

Anmerkung des Autors: Die Entnahme einer PEG-Sonde erfolgt als teil-gastroenterologischer Eingriff, d.h. wie bei einer Magenspiegelung wird bei leichter Sedierung (keine Narkose, entspannt und unterdrückt den Würgereiz) ein Schlauch mit Instrument eingeführt, löst den inneren Sicherungsklipp und ist nach 10 Minuten wieder erledigt. Dieser Eingriff kann im Krankenhaus problemlos durchgeführt werden, aber ebenso ambulant in geeigneten niedergelassenen internistischen Praxen. Der Eingriff ist prinzipiell als fast risikolos zu betrachten. (Bei weiterem Intesse bitte genaueres selber nachschlagen.)

B: Und was stellen Sie Sich vor?
A: Wir wollen zur weiteren Diagnostik eine Linksherzkatheteruntersuchung durchführen.
B: ???
B: Die Patientin war gerade vor ihrem Aufenthalt hier 10 Tage auf der Kardiologie einer Universitätsklinik, wo sich dieser Verdacht nicht bestätigen ließ. Haben Sie die Akte nicht zur Verfügung?

Anmerkung des Autors: Eine Linksherzkatheteruntersuchung ist ein hochtechnisierter aufwändiger Eingriff unter Vollnarkose (mit entsprechend höherem Risiko bei älteren Personen) mit einem Eingriff ins Gefäßsystem und einer Innenbetrachtung des Herzens. Die diagnostische Qualität ist zweifellos sehr hoch. Das Eingriffsrisiko aber in jedem Falle höher als bei einer Speiseröhreneingriff ohne Narkose. (Bei weiterem Intesse bitte genaueres selber nachschlagen.)

A: Doch die Akte steht uns zur Verfügung, aber unsere Internistin ist anderer Meinung und möchte eine weiterführende Diagnostik durhführen
B: Um das Risiko bei der PEG-Sondenentfernung besser beurteilen zu können? Sie wollen mir also erklären, das Sie lieber auf Verdacht einen schwerwiegenden Eingriff unter Narkose vornehmen als einen leichten Eingriff unter Sedierung der normalerweise ambulant in einer Praxis gemacht werden könnte?
A: Ja, weil sonst das Risiko bei der Sondenentnahme zu hoch wäre.
B: Das lehne ich ab, entnehmen Sie die Sonde. Wenn ein ausreichender Verdacht auf Herzerkrankung vorliegt, der mit konventioneller Diagnostik sicher zu bestätigen ist, können wir die weitergehenden Diagnostik immer noch besprechen. Jetzt hat Vorrang zu verhindern, das der Patientin auf Grund der Bequemlichkeit (oder der Überlastung - diesen Eindruck hatte ich aber nicht) der Pflegekräfte Flüssigkeit über die Sonde in den Körper “gekippt” wird; Hauptsache ist was drin. Außerdem geht es um das Lebensgefühl der Patientin (Aufnahme von Flüssigkeit und Nahrung über die Geschmacksrezeptoren).
A: Die Patientin erhält aber keine Flüssigkeit über die Sonde.
B: Das will ich auch hoffen, da ich hierzu bereits ein Fax geschickt hatte. Allerdings müssten Sie mir dann mal erklären warum auf dem Ein- und Ausfuhrprotokoll die Flüssigkeitszufuhr unter PEG vermerkt ist.
A: Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn Sie aber nicht genug trinkt, müssen wir natürlich Flüssigkeit zuführen.
B: Die Patientin hat immer genug getrunken. Wenn denn was da war und sie es auch erreichen konnte. Ich habe in der Zeit des Aufenthaltes wiederholt feststellen müssen, das Nachttisch und Getränke ausser Reichweite stehen, das keine Getränke am Bett stehen und ähnliche Konstellationen (leerer Becher, leere Flaschen, verschraubte Flaschen ausser Reichweite). Entnehmen Sie also die Sonde. Außerdem würde ich empfehlen, das Sie als behandelnde Ärztin die Pflege anweisen auf ausreichend Flüssigkeitsaufnahme ohne PEG-Sonde zu achten.
A: Ach, wissen Sie Ärzte und Pflege sind ja getrennt. Das kann ich der Pflege nicht sagen, das sollten Sie mal selber machen.
B: Wer hat eigentlich die medizinische Verantwortung? Arzt oder Pflegekraft? Aber, nun gut, ich werde das nochmals der Pflege selber mitteilen....

 

Man muss sich dorch Fragen, wer eigentlich eine Behandlung entscheidet oder ob alle mal was dazu sagen dürfen. Die Sonde wurde dann letztendlich entnommen. Die Internistin und die Stationsärzte haben sich zu einem weiteren oder weitergehenden Verdacht auf Herzerkrankung bisher nicht geäussert.

Ansonsten mal noch einige Auszüge aus an die Klinik gerichteter Korrespondenz zu Qualität in Medizin und Pflege:

Sehr geehrte Damen und Herren,
zum wiederholten Male wurde ich heute von weitgehend hilflosen oder beeinträchtigten Patienten Ihres Hauses mit der Bitte angesprochen, doch mal einen Pfleger / eine Schwester zu benachrichtigen.
Wenig erfreulich ist der Fall einer sprachgestörten älteren Dame die nach dem Abendessen noch mindestens 45 Minuten alleine im Essraum der Station stehen gelassen wurde.
Dieser Umgang mit den alleine hilflosen Personen stimmt doch sehr nachdenklich im Bezug auf die eigenen Angehörigen. Vor allen Dingen wenn zu dieser Zeit vier Pflegekräfte beim Abendbrot im Aufenthaltsraum sitzen. Angemessen wäre vielleicht zuerst die Patienten wieder in Ihre Zimmer zu bringen oder gemeinsam sitzen zu lassen aber nicht einzelne alleine vor leerem Tisch sitzen zu lassen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
zum wiederholten Male musste ich heute feststellen, das der Fernseher im Zimmer xxx (Kostenpflichtige private Zusatzleistung!) am Gerät ausgeschaltet war. Meine Mutter und Betreute kommt für diese Zusatzleistung gesondert auf. Das ausschalten am Gerät kann ausschließlich durch die Pflegekräfte (ggf. andere Mitarbeiter des Hauses) erfolgen, damit ist aber in der Folge die Inbetriebnahme über die Fernbedienung und einzige Möglichkeit für die Patientin unmöglich.
Dokumentierte Fälle am: xx.xx.200x, 13.30 Uhr sowie wieder heute xx.xx.200x, 17.30 Uhr. Desweiteren habe ich die Fernbedienung oftmals sonst wo im Zimmer vorgefunden.
Ich bitte um Beachtung, das Sonderleistungen auch verfügbar sind.
Darüber hinaus habe ich ebenfalls wiederholt feststellen müssen, dass meiner Mutter (und Betreute) sowohl nach dem mittaglichen als auch nach dem abendlichen zubett bringen der Nachttisch nicht in erreichbare Entfernung ans Bett platziert wurde. Damit ist der Zugang zu Getränken (und auch an die Fernbedienung) unmöglich gemacht.
In Zusammenhang mit den Getränken finde ich es um so bedenklicher, das ich meine Betreute heute mit einem Zugang und Tropf vorgefunden habe. Nach Aussage einer freundlichen Pflegekraft weil es Ihr schlecht ging. Wenn es sich hierbei um Flüssigkeitsmangel handeln sollte kann dies nicht überraschen. Es erscheint sinnvoller auf geeignete Versorgung zu achten als zu solchen Hilfsmitteln zu greifen.
Der Zustand meiner Mutter und Betreuten ist aktuell unter diesen Bedingungen deutlich schlechter als in der häuslichen ambulanten Pflege und ich Bitte dringend um Abhilfe und entsprechende Aufmerksamkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Stationsleitung,
bitte informieren Sie doch das Pflegepersonal gezielt, dass bei meiner Mutter (zu deren Betreuer ich ebenfalls bestellt bin) die PEG-Sonde nicht zur Nahrungs- oder Flüssigkeitseinfuhr verwendet wird.
Im Rahmen der häuslichen ambulanten Pflege war seit August 2003 keine Einsatz der PEG-Sonde notwendig. Frau Thoss hat stets ausreichend Flüssigkeit (Wasser, Fruchtsäfte, Tee, Kaffee, usw.) zu sich genommen, wenn das Angebot verfügbar war.
.....
Mit Blick auf die vorliegende Einschränkung des rechten Arms bedeutet dies, dass ein gefüllter Trinkbecher stets in Reichweite stehen sollte. Ebenso kann Sie aktuell natürlich nur bedingt selbst nachschenken. Während meiner letzten Besuche, war dies nicht immer gewährleistet. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn wir die erreichten Fortschritte hinsichtlich Lebensgefühl beibehalten könnten. Meine Mutter hatte die Monate September bis November bereits ohne Aufsicht bei Essen und Trinken bewältigt und dies sehr gut angenommen. Daher ist es auch nicht notwendig z.B. Brot ohne Kruste zu reichen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich musste heute feststellen, dass sich der Zustand des rechten Armes meiner Mutter und Betreuten im Rahmen der Therapie eher verschlechtert als verbessert hat. Die Kontraktion ist deutlich ausgeprägter und schwieriger aufzuheben als vor Beginn der Behandlung.
Die Flüssigkeitsversorgung über einen Tropf war seit Monaten in der privaten Pflege nie notwendig, hier scheinen Versorgungsdefizite bei der Flüssigkeitsgabe vorzuliegen, die durch häufigere Kontrolle und erreichbare Platzierung der Getränke leicht aufzuheben wären ohne einen Zugang zu verwenden.

Diese Themen wurden übrigens durch das Qualitätsmanagement der Klinik bearbeitet, ein entsprechendes Schreiben ging mir ca. 6 Wochen später zu. Die Themen wurden dabei allerdings “zurechtgerückt”, so erfolgte keine Stellungnahme zu den benannten Themen z.B. “Unerreichbarkeit der Getränke” sondern lediglich der Hinweis, man würde ja “zum trinken animieren”. Beide Punkte haben aber nichts miteinander zu tun. Besonders gefallen hat mir der Abschnitt in dem die Verantwortung für das entfernen der PEG-Sonde ja beim Patienten/Betreuer lag (siehe oben) und die monatelangen Erfahrungen und Ergebnisse der unmittelbar beteiligten Angehörigen schlichtweg ignoriert wurden. Ähnlich verhielt es sich bei der Beschwerde zum Fernseher, Thema war “Ausgeschaltet und Unerreichbar” Bezug genommen wurde darauf gar nicht. Schön wäre, wenn die Schreiben wenigsten sachgerecht beantwortet worden wären, aber nun ja ......

Die aktuellen gesetzlichen Vorstellungen zu Qualitätsdokumentation im Gesundheitswesen führen scheinbar zu solchen Eskapaden. Die Pflegekräfte sind gezwungen edv-basierte (oder schlimmer noch papierbasierte) Dokumentationen zu führen und damit Zeit zu verschwenden, die lieber beim Patienten verbracht werden sollte. Auf dieser Grundlage rückt der Gesetzgeber den Menschen immer mehr aus dem Fokus der Aufmerksamkeit statt in den Fokus. Die Qualität der Pflege ist dann auch nicht mehr durch hehre Leitbilder oder großartige Dokumentationen aufrecht zu erhalten, wenn man das Personal zu zuvielen sonstigen Tätigkeit zwingt. Allerdings spielen da auch noch andere Sachen rein: Warum machen eigentlich alle Mitarbeiter einer Station immer zusammen Pause? Kann man das nicht Gruppenweise erledigen, wie in anderen Arbeitsfeldern üblich udn so auch während der Pause den Arbeitsprozess aufrechterhalten? Warum stehen Patienten irgendwo in der Gegend rum und das gesamte Stationspersonal versammelt sich stundenlang zur Dienstübergabe wo doch dokumentierte Akten im Rahmen der Qualitätssicherung sowieso alles enthalten müssten, usw. usw.

Neben den Mankos die die Betreiber dem Gesetzgeber und den Kostenträgern anlasten, sollten auch die eigenen Potentiale hinterfragt und seit Jahrhunderten überlieferte Prozesse auf zeitgemäß Anpassungen überprüft werden. Leider scheint in einigen Bereichen die Killerphrase: "Das haben wir schon immer so gemacht" zum Organisationsgrundsatz geworden zu sein.

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